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Krakau - Stadt
der Wiederkehr
Krakau - die drittgrößte
Stadt Polens - ist "das" Ziel eines jeden Polenreisenden.
Stadt der Erinnerung
Geschichte wird aus Schichten
und Geschehen zusammengesetzt, sie ist eine Erzählung der Ereignisse. Krakau
- Hauptstadt Kleinpolens - ist ein Sammelbecken polnischer Geschichte,
eine Stadt der Erinnerung. Ganz anders als Warschau zieht Krakau die Touristen
an, selbst wenn man noch nie in Polen war, weiß man vom Hörensagen, dass
Krakau eine schöne Stadt ist.
Hauptstadt Polens blieb
Krakau bis 1596. König Zygmunt Waza III. verlegte die Hauptstadt nach Warschau,
nachdem er den polnischen Thron durch politische Ränkespiele erobert hatte.
Doch in Krakau sollten die Könige Polens nach wie vor gekrönt werden. Auf
dem Kreuzweg nach dem Osten war Krakau, als Polen rund zweihundert Jahre
später geteilt wurde, Ort blutiger, tapferer Aufstände, zuerst gegen die
preußisch-russischen und später gegen die österreichischen Besatzer: 1794
kämpfte der Nationalheld Tadeusz Kosciuszko Seite an Seite mit Berek Joselewicz
und dessen jüdischer Kavallerieeinheit. Im früheren jüdischen Viertel Krakaus,
Kazimierz, trägt eine Straße den Namen Joselewicz und der Kosciuszkohügel
im Stadtteil Salwator ist längst das Lieblingsziel der Sonntagsspaziergänger
geworden. Heute sei Krakau zu einer Provinzstadt geschrumpft, eng und kleinstädtisch,
klagen viele Krakauer. Vor der Wende waren alle Gebäudefassaden von einer
grauen Schicht überzogen, das Licht der Gaslaternen schuf eine eigenartige
Dämmerung, die schäbigen, veralteten blauen Straßenbahnen ratterten durch
die Gassen. Selbst wenn vieles auf die Umweltverschmutzung von damals zurückzuführen
war, verursacht durch die zur Stalinzeit gebaute Industriezone "Nowa Huta",
wurde die melancholische Herbststimmung, die fast zu allen Jahreszeiten
auf der Stadt lag, durch die politischen Umstände vertieft, die die Mehrheit
der Polen, die sich dem Kommunismus widersetzte, zur Verzweiflung trieben.
In den letzten zehn, zwölf
Jahren sind viele Gebäude gereinigt und restauriert worden, Krakau hat
sich äußerlich sehr verändert, ist doch im Kern noch Krakau geblieben.
Auf dem wunderschönen Marktplatz - Rynek Glówny - mit seinen Zinnen und
Kirchtürmen, der an Venedig erinnert, ist fast immer "etwas los" - Shows,
Veranstaltungen jeglicher Art - eigentlich zu viel, meinen alteinsässige
Krakauer Einwohner.Es gibt krasse Gegensätze: Stadtrundfahrten mit Fiakern
sind wieder beliebt; über den mittelalterlichen Tuchhallen hängen farbig
Transparente, die müden orangen Sonnenschirme der Blumenverkäuferinnen
von früher sind durch kecke gestreifte ersetzt worden, überall sprießen
Werbesonnenschirme hoch: Coca Cola konkurriert mit Zywiec, "der" polnischen
Biermarke.
In der nun lärmenden Florianska
Straße, der einst schönsten Straße der Altstadt, kann man sich immer noch
ins Jugendstilcafé Jama Michalika - neben dem Jan Matejko-Haus - setzen,
doch getröstet wissen: McDonalds ist nur ein paar Häuser weiter. Wie überall
sonst in Osteuropa ist die Marktwirtschaft auch hier in voller Blüte: Am
Stadtrand, in allen Himmelsrichtungen, steht ein Megamarkt nach dem anderen:
Carrefour, Tesco, Géant oder Ikea. Aber trotz alledem und auch der gewöhnlichen
Supermärkte mit ihren Auslagen von Knorrsuppen und Whiskas - ist Krakau
die Stadt des Kleinhandels geblieben. Heute wie vor hundert Jahren gibt
es nicht nur die engen Läden mit ihren verlockenden Hinterhöfen auf der
Starowislna, Krakowska und Karmelicka, wo man alles vom Bindfaden bis zum
Farbfernseher bekommen kann, sondern auch Hunderte von Kiosks und Ständen.
Auch die Straßenmärkte florieren, die ursprünglichen: tagtäglich in den
Kleparz bieten Frauen - ältere und jüngere - selbstgemachten Quark, frische
Milch und Butter an.
Noch rattern alte blaue
Straßenbahnen durch die Gassen und über die Brücken.Immer mehr Leute ziehen
um ins Grüne: die Häuser der neuen Siedlungen haben farbige Dächer und
helle Wände, im Gegensatz zu den grauen, vernarbten Bürgerhäusern der Innenstadt,
wo die Geschichte an den sich abblätternden Fassaden geschrieben steht.
Im Mittelalter war die "jüdische Straße" in der Swieta Anna Straße. Dieses
jüdische "Zentrum" mußte jedoch der Jagiellonen Universität weichen und
ins damalige Städtchen Kazimierz ziehen. Dort wechseln sich nach wie vor
die Kirchen mit den restaurierten Synagogen ab; die Fronleichnamskirche
steht unweit der Remu Synagoge. Kazimierz, das ehemalige jüdische Stadtviertel,
ist nicht mehr das Geisterviertel der achtziger Jahre. Noch vor zehn Jahren
hatten Krakauer Angst nach dem Einbruch der Dunkelheit, über die Straßen
von Kazimierz zu spazieren. Heute floriert eine junge Szene, Kleinhandel,
Cafés, Kunstgalerien und Antiquitätenläden. Künstler ziehen gern nach Kazimierz,
vorausgesetzt sie können sich die steigenden Mieten und Kaufpreise leisten.
Durch die restaurierten Fassaden, die neuen - teils jüdischen - Cafés und
Hotels, wird jedoch nach und nach die alte Geschichte zurückgedrängt.
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